In Talitha Kumi wurden am 30. Mai 2024 die Abiturientinnen und Abiturienten geehrt, mit viel Spaß, aber auch, in Anbetracht der aktuellen Situation im Heiligen Land, mit ernsten Tönen. (Mit Fotogalerie und der Abiturrede von Matthias Wolf)
Für Schulleiter Matthias Wolf, der bald nach Deutschland zurückkehrt, war es die letzte Abifeier. Er freute sich mit 6 Absolventinnen und Absolventen des Deutschen Internationalen Abiturs (Bestnote 1,0, Durchschnitt 1,8) und 25 des palästinensischen Tawjihis. Unter den Gratulierenden waren auch Bischof Sani Ibrahim Azar (#ELCJHL), Cordula Funke, Attaché des Deutschen Vertretungsbüros in Ramallah, und Dr. Simon Kuntze Nahostreferent unseres Trägers, des Berliner Missionswerkes.
Wir wünschen den Abiturientinnen und Abiturienten Gottes Segen. Mabrouk!
Rede des Schulleiters Matthias Wolf zum Abitur/Tawjihi 2024
Sehr geehrter Bischof (lieber Barhoum), sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Kirche und Gesellschaft, liebe Eltern, Verwandte, Lehrkräfte, verehrte Anwesende, liebe Absolventinnen und Absolventen des Jahrgangs 2024,
was hat ein Schulleiter und der Abiturjahrgang 2024 gemeinsam? Beide verlassen in diesem Jahr die Schule. Ihr, um ein neues Kapitel Eures Lebens aufzuschlagen und ich auch – wohin es uns führt, wissen wir noch nicht. Auch ich bin noch gespannt. Als ich hier ankam, kamt ihr in die 7. Klasse. Was für ein gemeinsamer Weg! Wenn Ihr heute Bilder von Euch anschaut von damals, wollt ihr es kaum wahrhaben.
Das waren unheimlich gefüllte Jahre: Lernen, Klausuren, tägliche Schulroutine, aber auch das: eine weltumspannende Pandemie und ein Krieg, der immer noch anhält. Ihr habt Online-Unterricht durchgehalten, Strassensperren erlebt, Streiktage mitgemacht, getrauert um Menschen, die in diesen Umständen ihr Leben gelassen haben und denen nicht eine so tolle Zukunft mehr offen steht wie euch.
Zu meiner Verabschiedung habe ich ein Bild von Freunden geschenkt bekommen, dass ich heute mitgebracht habe. Es könnte hier in Talitha Kumi aufgenommen worden sein. Ein Weinstock – ein Gewächs, das hier zu Hause ist; stark und kräftig – erntereif!
Ist das nicht ein starkes Bild für eure Schulzeit in Talitha Kumi? Eure Eltern hatten die Idee, euch hier in Talitha Kumi „einzupflanzen“, in den guten Mutterboden dieser Schule. Kleine Planzen, sind empfindsam – junge Menschen auch. Man muss achtsam mit ihnen umgehen – da wo wir das mal nicht gemacht haben, wollen wir euch um Verzeihung bitten.
Aber Planzen müssen auch beschnitten werden, damit sie gedeihen: Nicht jeden Weg haben wir euch gehen lassen (weil wir es gut mit euch meinten) – manche Zweige mussten beschnitten werden, damit mehr reifen kann. Das hat euch vielleicht nicht immer gefallen, es sollte euch jedoch helfen zu wachsen.
Das ganze nennt man auch „Erziehung“: Es ist kein schneller Prozess, kein Online-Kurs, mit 6 Sitzungen, kein „Coffee to go“ sondern ein jahrelanger Prozess des Wachsens und Werdens. Eure Lehrerinnen und Lehrer haben euch dabei begleitet. Unser Weinberg hat viel erlebt: Distanzunterricht, Corona, Krieg – aber auch Feste und Feiern in besseren Zeiten, Turniere und Wettkämpfe.
Und heute wird die Ernte eingefahren. 12 Reifejahre – ein guter Prädikatswein. Eure Abiturergebnisse dürfen Euch, uns und Eure Eltern mit Stolz erfüllen. Die Ernteergebnisse lassen sich sehen. Unsere Schule, der Weinberg, in dem ihr aufgewachsen seid, hat das aus euch werden lassen. Und jetzt? – was geschieht mit dem Wein? Feiern, trinken, war´s das?
Ja, das gehört dazu aber es geht noch weiter. Bleiben wir im Bild: Guter Wein wird exportiert, geht in die Welt. Auch Ihr geht raus und seid Botschafter dieses „Weinbergs“ – unserer Schule. Mit Eurem Abschuss habt ihr gutes Rüstzeug mitbekommen: fachliches, da bin ich mir sicher, aber auch die so wichtigen „Softskills“: Reflexionsfähigkeit, sich in andere Menschen hineindenken und kritisch abzuwägen, bereit zu sein, Kompromisse einzugehen.
Und last but not least: Im Mutterboden einer evangelisch-lutherischen Schule habt Ihr auch ein Angebot des Glaubens mitbekommen, mit dem ihr weiterarbeiten könnt. Da ist noch der Chef des Weinbergs, der Obergärtner sozusagen, der alles zusammenhält: Pflanzem, Wachsen und Gedeihen. Ihr wisst schon, von dem die Rede ist. Nein, nicht von Herrn Wolf, (der velässt ja auch den Weinberg), sondern von Gott selbt. Schon in der Bibel sagt Jesus: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben, wer in mir bleibt und ich in ihm, der bring gute Frucht, denn ohne mich könnte ihr nichts tun“ (Joh. 15,5)
Das ist mein Wunsch für Euch zum heutigen Erntefest: Geht hinaus und bring viel Frucht.
In diesem Sinne, herzlichen Glückwunsch zu eurem Schulabschluss und – Alf Mabruk.
Matthias Wolf